Die Osterfeiertage bieten mir nach anstrengenden Wochen endlich eine gute Gelegenheit, über mich selbst nachzudenken und ein wenig zu reflektieren. Der Anstoß zum Nachdenken kam bei mir durch zwei Impulse: zum einen war es ein Artikel über die Macht der Gedanken sowie die Bedeutung von Reflexion, den ich diese Woche als Podcast hörte und der mich beschäftigte. Es ging in dem Beitrag um die Tätigkeit, über sich selbst nachzudenken und dabei sein eigenes Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen, um mehr über sich selbst herauszufinden.
Und der andere Impuls war ein Gespräch mit einer mir bis dahin unbekannten Person, die mir sagte: „Wenn man Ihnen zuhört und Sie bei Ihrem Vortrag beobachtet, dann sehe ich zwei Menschen. Auf der einen Seite einen sehr fröhlichen, lebens-bejahenden Mann und auf der anderen Seite einen traurigen Menschen“.
Zunächst war ich über diesen Satz doch etwas irritiert, und dachte, was will mir dieser Mensch, der mich doch gar nicht kennt, überhaupt sagen? Aber je mehr ich darüber nachdachte und in die Reflexion ging, umso mehr wurde mir bewusst, was die Person meinte. So fiel mir beim Überlegen auf, dass ich beim Beobachten meiner Gedanken erkenne, dass ich manchmal stark in der Vergangenheit hänge und unbewusst über Zeiten sinniere, die nicht schön waren. Ich brüte dabei über Ereignisse und Menschen, die mein Leben schwer machten und ich denke dann über die Prüfungen nach, welche mir das Leben bereitete. Also über Dinge, die längst vorbei sind und die ich sowieso nicht mehr ändern kann...
Diese Gedanken werden aber immer weniger und es kommt in mir nun eine große Dankbarkeit für das Leben hoch. Und dies passiert meist dann, wenn ich mit meinem kleinen Sohn spiele.
Mein Nachzügler Ben wird demnächst zwei Jahre alt und oft habe ich darüber sinniert, ob ich ihm als alter Vater in seinem kindlichen Drang, die Welt zu entdecken, überhaupt gerecht werden kann. Aber mehr und mehr wird mir bewusst, dass es für uns Beide ein Segen ist. Denn zum einen begleitet ein erfahrender Vater sein Kind in eine Welt, die sich stark verändert. Und zum anderen, darf dieser "ältere Herr" ein Stück weit wieder Kind sein und die Welt nochmals neu entdecken. :-)
Mir wird bewusst, was mir dieser kleine Kerl jeden Tag für ein großes Geschenk macht. Etwa dann, wenn schon morgens beim Aufstehen so viel Liebe fließt oder wenn wir tagsüber zusammen spielen (was früher bei meinen, in der Zwischenzeit erwachsenen Kindern, nicht so oft möglich war).
Auf einmal merke ich, was es bedeutet, sein „inneres Kind“ zu spüren. Im Idealfall entwickeln wir ja während unserer Kindheit das nötige Selbst- und Urvertrauen, welches uns als Erwachsene trägt. Bei mir war dieses Ur- und Selbstvertrauen nicht immer so ausgeprägt und so ist es heute ein großes Geschenk, wenn, der „kleine Berthold“ mit dem kleinen Ben spielen darf und dabei der „große Berthold“ erkennt, dass die ganzen Prüfungen des Lebens sein mussten. Denn genau diese Prüfungen haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.
Der "große Berthold" darf dann erkennen, was dem "kleinen Berthold" damals in seiner Kindheit widerfahren ist und was ihm gefehlt hat. Der erwachsene Mann in mir spürt dann, dass die Verletzungen aus der Kindheit noch lange schmerzten und dabei Narben hinterließen.
Dieser Prozess des Nachdenkens über sich selbst und das anschließende Erkennen tut mir sehr gut und ich bin dankbar dafür, dass der kleine Junge in mir wieder so oft lachen und sich über das Leben freuen darf.
Und ich bin zudem dankbar dafür, dass ich dieses Wissen, sowie meine persönlichen Erfahrungen, in meine Arbeit als Trainer und Coach einbringen kann. Denn damit helfe ich auch anderen Menschen, ihre Kindheitsverletzungen zu erkennen und zu heilen.
Insofern wird mir an diesem Osterfest die Bedeutung von Tod und Auferstehung noch klarer, denn es geht darum, dass in mir "Altes sterben darf" und "Neues geboren werden darf"...
Herzliche Grüße und ein schönes Osterfest wünscht Dir
Dein Berthold